Umgangssprachlich wird der Zahn oft als „Nerv“ bezeichnet. Gemeint ist damit das neurovaskuläre Bündel, das sich unter den harten Zahngeweben befindet. Zahnärzte verwenden den Begriff „Pulpa“. Sie ist durch Schmelz und Dentin geschützt und befindet sich in einer speziellen Kammer. Wenn eine Infektion in diese Kammer eindringt, entwickelt sich eine Entzündung des Zahnnervs – eine Pulpitis.
Die Pulpa ist nicht nur ein Bündel von Nervenzellen, sondern ein komplexes Gebilde aus Blutgefäßen, Nerven, Bindegewebe und speziellen Zellen, den Odontoblasten.
Funktionen der Pulpa:
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Ernährung des Gewebes: Glukose, Proteine und Mineralien gelangen über die Blutgefäße der Pulpa zu den harten Zahngeweben.
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Sensibilität: Die Pulpa enthält eine enorme Anzahl von Nervenenden, die auf Schmerz, Temperatur und mechanische Reize reagieren. Ohne dieses Bündel wüssten wir nicht, wann ein Zahn behandelt werden muss.
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Aktivierung der Immunabwehr: Signale aus der Pulpa stimulieren die Produktion von Makrophagen, Neutrophilen und Leukozyten. So führt nicht jede Infektion zu einer Entzündung.
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Bildung von Sekundärdentin: Die harten Zahngewebe nutzen sich langsam ab, aber dieser Prozess wäre viel schneller, wenn der Körper kein Sekundär- oder Tertiärdentin produzieren würde. Dieses kann kleine Schäden „reparieren“ und die Funktionalität des Zahnes erhalten.
Zahnerkrankungen können die Entfernung der Pulpa notwendig machen, was den Zahn erheblich schwächt und zu seinem Verlust führen kann.
Symptome einer Zahnnerventzündung
Die Zahnmedizin unterscheidet zwischen akuter und chronischer Pulpitis. Das Hauptsymptom beider Formen ist Schmerz, dessen Art jedoch variiert.
Akute Pulpitis
Die Schmerzen sind stark, treten spontan auf, verstärken sich abends oder nachts und sind oft unabhängig von äußeren Reizen. Die schmerzfreien Intervalle werden kürzer, der Schmerz wird fast kontinuierlich.
Bei einer fokalen Pulpitis lässt sich der verursachende Zahn leicht identifizieren. Bei diffuser Ausbreitung strahlt der Schmerz in den Kiefer, die Schläfe oder das Ohr aus. Der Allgemeinzustand kann sich verschlechtern.
Pochender, reißender Schmerz, der in den schmerzfreien Intervallen nur etwas nachlässt, ist typisch für einen eitrigen (abszedierenden) Verlauf.
Chronische Pulpitis
Der Schmerz bei einer chronischen Pulpitis variiert je nach Form:
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Fibröse Pulpitis: Der Zahn reagiert auf verschiedene Reize (chemisch, mechanisch, thermisch). Heiße oder kalte Getränke, Süßes oder Saures lösen einen Anfall aus. Der Schmerz ist dumpf, nicht stark und klingt nur langsam nach Ende des Reizes ab.
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Hyperplastische Pulpitis: Patienten klagen über Unbehagen durch Wucherung von Granulationsgewebe, dumpfe Schmerzen, Blutungen und Schmerzen beim Kauen. Die Reaktion auf Temperaturreize fehlt oft.
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Gangränöse Pulpitis: Ausgeprägte Reaktion auf Reize, besonders auf Wärme. Der Schmerz klingt nur langsam ab. Ein charakteristisches Symptom ist ein unangenehmer, fauliger Mundgeruch. Oft verfärbt sich der Zahn durch den Gewebeuntergang (Nekrose). Stirbt die Pulpa vollständig ab, verschwindet der Schmerz.
Akute Verschlimmerung einer chronischen Pulpitis
Die Anzeichen gleichen denen einer akuten Pulpitis. Der einzige Unterscheid ist die Vorgeschichte des Patienten, der bereits früher ähnliche Beschwerden hatte.
Ursachen
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Primärkaries: In der überwiegenden Mehrheit der Fälle dringt die Infektion durch Kariesläsionen in die Pulpakammer ein.
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Sekundärkaries (unter einer Füllung): Wurde Karies nicht vollständig entfernt, kann sich die Infektion unter der Füllung weiter ausbreiten.
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Trauma: Freilegung der Pulpa durch einen Schlag, Bruch oder avulsierten Zahn.
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Thermische Schädigung: Überhitzung des Gewebes beim Beschleifen für eine Krone.
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Chemische Schädigung: Nicht beachtete Protokolle beim Ätzen (z.B. für Veneers oder Bleaching).
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Retrograde Infektion: Die Infektion dringt von parodontalen Taschen durch die Wurzelspitze ein.
Diagnose
Die Befragung (Anamnese) ist sehr wichtig. Der Patient wird gebeten, die Art des Schmerzes, die Dauer der Attacken und die Reaktion auf Reize zu beschreiben.
Die klinische Untersuchung mit Sondierung und Perkussion hilft, die Art der Pulpitis zu bestimmen und den Behandlungsplan festzulegen. Weitere Methoden sind:
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Kältetest: Der Zahnarzt testet die Reaktion auf Kälte (z.B. mit Kältespray). Die Art der Reaktion gibt Aufschluss über den Zustand der Pulpa.
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Elektrische Pulpatestung (EPT): Die Reaktion auf einen schwachen elektrischen Strom hilft, die Vitalität der Pulpa zu bestimmen. Eine schwache oder fehlende Reaktion deutet auf Nekrose hin.
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Röntgenaufnahme: Zeigt Karies, deren Tiefe, eine erweiterte Periodontalspalte oder Knochendestruktion. Eine 3D-Aufnahme (DVT) liefert mehr Informationen als ein einfaches Röntgenbild.
Behandlung der Zahnnerventzündung
Chirurgische Methoden (Endodontische Behandlung)
Der Hauptansatz bei der Behandlung einer Pulpitis ist die Entfernung der Pulpa (Pulpektomie) mit anschließender Wurzelkanalfüllung.
Bei der vitalen Pulpektomie wird das neurovaskuläre Bündel unter Lokalanästhesie vollständig entfernt, ohne es vorab zu „töten“. Anschließend werden die Kanäle gereinigt, desinfiziert und dicht verschlossen (obturiert).
Die devitale Pulpektomie (mit „Nerv abtöten“) wird heute aufgrund der Toxizität der verwendeten Pasten (früher Arsen) extrem selten angewendet, z.B. bei Allergie gegen Lokalanästhetika.
Konservative Methoden (Vitalerhaltung)
Unter bestimmten Bedingungen kann die Pulpa erhalten werden. Dies ist möglich, wenn der Patient jünger als ca. 25-30 Jahre ist und sich in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung befindet.
Der Zahnarzt entfernt das erkrankte Gewebe, öffnet den Zugang zur Pulpakammer, desinfiziert und legt eine medikamentöse, dann eine isolierende Unterfüllung. Die Kavität wird mit einer temporären Füllung verschlossen. Physiotherapie und entzündungshemmende Medikamente können verordnet werden. Zeigt die Behandlung Erfolg, wird später definitiv versorgt. Ist sie erfolglos, muss die Pulpa entfernt werden.
Folgen bei Nichtbehandlung
Eine Pulpitis ist gefährlich aufgrund ihrer Komplikationen:
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Apikale Parodontitis: Die Infektion breitet sich über die Wurzelspitze aus und befällt den Zahnhalteapparat. Oft bilden sich Granulome oder Zysten. Dies kann zu Lockerung, Schwellungen und Schmerzen beim Aufbeißen führen. Die Behandlung ist langwierig.
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Periostitis („dicke Backe“/Flux): Entzündung des Knochenhauts. Eiterbildung, starke Schwellung, Schmerzen und allgemeines Unwohlsein sind die Folge. Der Abszess muss eröffnet werden.
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Phlegmone: Eine sich ungehindert ausbreitende eitrige Entzündung des Bindegewebes. Lebensgefährlich, da sich die Infektion über die Blutbahn im ganzen Körper ausbreiten kann.
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Osteomyelitis: Knochenmarksentzündung des Kiefers. Der Eiter zerstört den Knochen, was zu Zahnlockerung, Fieber und starken Schmerzen führt.
Selbst ohne diese akuten Komplikationen ist eine chronische Pulpitis ein Infektionsherd, der die Lebensqualität beeinträchtigt und die Allgemeingesundheit belastet.
Prävention
Einer Pulpitis kann durch die Vorbeugung von Karies vorgebeugt werden:
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Regelmäßige und gründliche Zahnpflege: Morgens und abends Zähne putzen.
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Verwendung von Zahnseide oder Interdentalbürstchen: Zur Reinigung der Zahnzwischenräume.
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Ausgewogene Ernährung: Der Verzehr von harten Obst- und Gemüsestücken (z.B. Äpfel, Karotten) unterstützt die Selbstreinigung und fördert die Kaumuskulatur.
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Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen: Zweimal jährlich, um Karies frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
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Professionelle Zahnreinigungen: Entfernen Zahnbelag (Plaque) und Zahnstein gründlich, das Hauptursache für Karies.
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Zucker reduzieren: Zucker dient Kariesbakterien als Nahrung. Die von ihnen produzierte Säure zerstört den Zahnschmelz.
Eine Entzündung des Zahnnervs ist eine ernste Erkrankung, die zu Komplikationen und Zahnverlust führen kann. Rechtzeitig entdeckte und behandelte Karies erhält die Pulpa intakt. Suchen Sie regelmäßig Ihren Zahnarzt auf, damit Ihr Lächeln Sie noch lange erfreut.




